Bewerben bedeutet Verkaufen

Verfasst von: Gisbert Kühner
Wer sich bewirbt, befindet  sich auf einem Markt, der zum Erfolg  marktgerechtes Verhalten erfordert. Markt ist das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Das gilt für Lieschen Müller, die sich um einen Arbeitsplatz bewirbt, aber auch  für die Stadt, die sich z.B. für die olympischen Spiele bewirbt. Angebot und Nachfrage treffen aufeinander. Wer die besten Argumente hat, wird schließlich den Zuschlag bekommen.

Im November 2004 reichten alle Kandidatenstädte, die im Jahre 2012 die Olympischen Sommerspiele ausrichten wollten, dem IOC ihre Bewerbungsunterlagen ein. 2005 blieben noch 5 Kandidaten übrig: London, Paris, Madrid, New York und Moskau. Paris galt während des gesamten Bewerbungsprozesses als Favorit. Als Sebastian Coe 2004 zur Leitfigur der Bewerbung Londons wurde. Am 6.Juli 2005 präsentierten sich die Kandidatenstädte auf der 117. IOC Session. London setzte sich schließlich mit 54 zu 50 Stimmen gegen Paris durch. Lieschen Müller hat ihren alten Arbeitsplatz verloren. Jetzt sucht sie eine neue Herausforderung und bewirbt sich. In der Großfirma XY möchte sie gern arbeiten. Sie bewirbt sich dort initiativ. 

Außerdem hat sie eine interessante Stellenanzeige gefunden. Auch hier bewirbt sie sich. Beide, die Stadt und Lieschen Müller, treffen vertriebspolitische Entscheidungen. Als Ausgangspunkt der Aktivitäten steht eine Potentialanalyse. In der SWOT-Analyse werden die Stärken und Schwächen ermittelt und die zu erwartenden externen Chancen und Risiken gegenübergestellt. Als Ergebnis kommt der Standort der eigenen Organisation oder Person im Vergleich zur Konkurrenz heraus. Jetzt setzt die Vertriebsstrategie ein. Das ist der Orientierungsrahmen für die Vertriebsmaßnahmen. Entscheidend dafür, dass mein Produkt am Markt einen Abnehmer findet, ist zuerst ein Bedarf. In beiden Fällen ist er vorhanden. 

Es wird eine Olympiastadt gesucht bzw. ein Unternehmen will eine Stelle neu besetzen und schreibt deshalb eine Stelle aus. Anders ist es bei der Initiativbewerbung von Lieschen Müller. Meist wird es so sein, dass das Unternehmen, bei dem sie sich bewirbt keinen Bedarf hat. Es existiert keine offene Stelle, die mit Lieschen Müller besetzt werden kann. Das genau ist der Grund, warum die Erfolgsquote bei initiativen Bewerbungen so niedrig ist. Es gibt keinen Markt bzw. Angebot und Nachfrage treffen nicht zusammen. Sofern ein Bedarf besteht, wird der Nachfrager aus den ihm vorliegenden Angeboten das Angebot auswählen, das ihm den größten Nutzen bringt. Und genau das ist die Aufgabe der Anbieter:

Beim Nachfrager Interesse für sein Produkt wecken. Interesse wecken, mehr vom Bewerber zu erfahren. Dies gelingt z.B. durch eine gute Werbung bzw. Bewerbung. Mit einer schlechten Werbung katapultiert sich der Bewerber aus dem Auswahlverfahren. Es ist deshalb unverständlich, wie wenig Sorgfalt und Ernsthaftigkeit manche in ihr Werbeprospekt, die Bewerbungsunterlagen, einbringen. Der Adressat sieht sehr schnell, wenn die Bewerbung im Stil einer Wurfsendung verfasst ist und nicht individuell auf den Nachfrager und dessen Belange eingeht. Mehr über das Produkt erfährt der Nachfrager in den Verkaufsverhandlungen. Diese sind nichts anderes als ein Abgleich der Anforderungen des Nachfrager mit einem passgenauen Angebot. 

Ein mit Schwächen behaftetes Angebot wird niemals den Kaufzuschlag bekommen. Der Käufer muss ein Problem lösen (z.B. einen verwaisten Arbeitsplatz neu zu besetzen), er wird sich aber keine neuen Probleme schaffen. Für Lieschen Müller bedeutet das, dass sie keine Schwächen verkaufen kann. Sollte sie in ihrer Lebensbiographie solche haben, muss sie diese überzeugend erklären. Noch besser ist es, vermeintliche Schwächen in Stärken umzuformulieren. Das muss zu Hause in aller Ruhe erfolgen. Spontan die "richtige" Antwort zu finden, geht in der Regel nicht und führt zum Misserfolg.

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Artikelsignatur: Gisbert Kühner | Autoren-Ressort: www.Gisbert-Kuehner.reporters.de
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