Karl May – ein großer Europäer und Weltbürger

Verfasst von: Peter Michael Neuen
Die meisten von uns kennen Karl May eigentlich nur durch seine Winnetou- und Kara Ben Nemsi-Bücher, die Anfang bzw. Mitte der 70er Jahre fürs Fernsehen verfilmt wurden. Die wenigsten von uns wissen, dass er in seinem Leben über 70 Bücher geschrieben hat, die hauptsächlich im Karl-May-Verlag Bamberg veröffentlicht wurden. Karl May, eigentlich richtig Carl Friedrich May wurde am 25. Februar 1842 als Sohn eines Webers im sächsischen Ernstthal geboren, wuchs dort unter ärmlichen Verhältnissen auf, absolvierte eine Ausbildung zum Lehrer und arbeitete als Hilfs- und Fabrikschullehrer.

Allerdings kam er wegen einiger Eigentumsdelikte mit der Justiz in Konflikt und verbrachte insgesamt fast 8 Jahre im Gefängnis und konnte deshalb auch seine Lehrertätigkeit nicht mehr ausführen. In den Jahren der Haft flüchtete er sich in unzählige träumerische Reisen, was sollte er unter den erbärmlichen Haftbedingungen auch sonst machen und schaffte so die Basis für seine späteren Werke. Ab 1875 arbeitete Karl May als Zeitschriftenredakteur für verschiedene Verlage und Zeitschriften und schrieb zwischen 1887 und 1896 einige seiner bekanntesten Werke wie beispielsweise „Der Ölprinz“, „Der Schatz im Silbersee“ und die „Winnetou“- und „Old Surehand“-Trilogien.

Bis 1899 war er nie im Ausland, erst 1899/1900 unternahm er eine Orient-Reise und 1908 in die USA. Seine Geschichten entwickelte er im Geist, er hatte die Schauplätze nie zu Gesicht gekommen und aufgrund seiner Schreibweise mussten die Leser annehmen, dass er die Hauptpersonen in seinen Romanen verkörperte und handelte sich dadurch viel Ärger ein, da er sich gegenüber seinen Lesern und Fans als „Old Shatterhand“ verkaufte und sein Wohnhaus in Radebeul „Villa Shatterhand“ nannte. Aber Neid muss sich verdienen. Karl May starb am 30. März 1912 im Alter von 70 Jahren in Radebeul an einem Herzschlag.

Für mich war er immer einer der produktivsten Abenteuerschriftsteller und ich habe als Jugendlicher alle seine Bücher gelesen. Besonders seine Werke, die in Deutschland, Frankreich, Spanien und Mexiko spielten, sind mir immer in Erinnerung geblieben. Meine Lieblingswerke war und ist die vierteilige Romanserie, die aus Band 56 „Der Weg nach Waterloo“, Band 57: „Das Geheimnis des Marabut“, Band 58: „Der Spion von Orty“ und Band 59: „Die Herren von Greifenklau“ besteht. Sie spielt zwischen den "Napoleonischen Kriegen" und dem "Deutsch-Französischen Krieg 1870/71" und schildert die Geschichte der preußischen Familie von Greifenklau über 3 Generationen hinweg, die den Leser von Anfang bis Ende in ihren Bann zieht.

Im ersten Band geht es um die weit ausgesponnenen Schicksale der preußischen Adelsfamilie von Greifenklau. Die Geschichte der napoleonischen Zeit bildet den fesselnden Hintergrund. Im Mittelpunkt stehen die Erlebnisse des Leutnants Hugo von Greifenklau in den Wirren der Napoleonischen Kriege, genau gesagt 1814 in Paris. Dort lernt er seine große Liebe Margot Richmonte kennen, die von ihrem Stiefbruder Albin in eine Ehe mit einem reichen Adeligen gezwungen werden soll. Ihr Bruder entführt sie, hält sie gefangen, es gelingt jedoch Hugo sie zu befreien. Er wird von Blücher als militärischer Aufklärer eingesetzt und belauscht ein Gespräch, dass Wegelagerer eine französische Kriegskasse rauben wollen.

Hugo vereitelt dies, vergräbt die Kriegskasse, wird aber im nächsten Kampfeinsatz so schwer verletzt, dass er sein Gedächtnis verliert und aus dem Militärdienst entlassen wird. Leider hat verletzungsbedingt auch vergessen, wo er die Kriegskasse vergraben hat. Im zweiten Band beginnt die bewegte Handlung in Algerien und zieht sich im weiteren Verlauf nach Frankreich und Preußen und beeinflusst das Schicksal der Familie von Greifenklau sehr. Durch Intrigen und Betrug des Stiefbruders von Margot verliert Hugo das Familiengut und die Familie steht praktisch vor dem aus. Margot erleidet durch die Aufregung einen Schlaganfall und auch Hugo erkrankt schwer und zieht nach seiner Genesung mit seiner Familie nach Berlin.

Ein weiterer Schicksalsschlag trifft ihn, als sein Sohn Gebhardt, der ebenfalls eine Französin heiratet, von der Suche nach der verschollenen Kriegskasse nicht mehr zurückkehrt und sechzehn Jahre verschollen bleibt. Im dritten Band pendelt das Geschehen zwischen Frankreich und Deutschland hin und her. Gebhards Sohn, Richard, der ebenfalls Offizier ist, wird mit einem Sonderauftrag als Hauslehrer in Schloss Orty eingeschleust, um dort als Aufklärer die Bildung von Freischärlerbanden sowie die Munitions- und Waffenproduktion der dortigen Waffenfabriken zu beobachten, die vom Stiefbruder und Erzfeind seines Großvaters, Albin Richmonte, geleitet wird. Dort verliebt er sich in die junge Französin Marion, die gegen ihren Willen von Richmonte mit einem französischen Adeligen verheiratet werden soll.

Besonders spannend sind die Szenen in den unterirdischen Gewölben von Schloß Ortry, hier findet Richard seinen Vater Gebhard, der sechzehn Jahre von Richmonte gefangen gehalten wurde. Dann bricht der Deutsch / Französische Krieg aus und Richard kehrt mit seiner Ulaneneinheit nach Orty zurück, zerstört die Munitionsfabrik und zerschlägt die Freischärlerbande. Richard befreit auch Marion, gesteht ihr seine Liebe und sie verloben sich. Im vierten und letzten Band wechseln die Handlungsschauplätze vor dem Hintergrund des Deutsch-Französischen Krieges nach Paris, Algier, Berlin und schließlich vor die Tore von Sedan, wo sich der Kreis schließt. Nach Kriegsende sucht er mit seinem Vater, dem die Erinnerung wiederkam, und seinem Sohn nochmals nach der Kriegskasse.

Dabei kommt es zu einem letzten Kampf mit dem Richmonte, dem Erzfeind der Familie, bei dem dieser getötet wird. Hiermit erfüllt sich das Schicksal derer von Greifenklau und das Gute siegt nach mehr als 3 Generationen Kampf. Den Inhalt konnte ich hier nur in Kurzform wiedergeben, aber diese Romanreihe hat mich so gefesselt, dass ich sie in den vergangenen fünfundvierzig Jahren mindestens 10 Mal gelesen habe und so schnell fesselt mich nichts. Für mich ist Karl May ein großer Europäer und Weltbürger, der bereits vor über 140 Jahren in seinen Werken Brücken zwischen Völker, Religionen und Staatsangehörigkeiten gebaut hat.

Ich sehe ihn als Vordenker und Wegbereiter für ein vereinigtes Europa, was sich in seinen über 70 Romanen widerspiegelt. Hier spielen Hautfarbe, Religion und Nationalitäten keine Rolle, hier ist nur der Mensch selbst und wie er sich den Mitmenschen gegenüber gibt, wichtig. Denken wir doch nur an die Freundschaften zwischen Winnetou und Old Shatterhand, zwischen Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar und in unserer Greifenklau-Saga, in der sich drei Generationen unserer Helden in sehr schwierigen politischen Zeiten unsterblich in Französinnen verlieben. Mehr Völkerverständigung geht nicht. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und Spannung bei den Werken von Karl May, ich habe sie immer noch.

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Artikelsignatur: Peter Michael Neuen | Autoren-Ressort: economy.reporters.de
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